Die Gretchenfrage (auch) in Gemeinschaft

Bereits 2021 hatten wir entschieden, bis 2030 weitgehend auf Verbrennung zu verzichten und möglichst die vor Ort verfuegbare Energie zum Heizen zu nutzen. Seither arbeiten wir nun an einem Thema, das uns zwar notwendig, aber unattraktiv und ärgerlich erschien. Im Verlauf des Entscheidungsprozesses in der Gemeinschaft stellte es sich als herausfordernd, aber auch voller Potenzial heraus. Dazu zwei Stimmen aus der Gemeinschaft:

„Ich habe mich lange vor der Auseinandersetzung mit dem Thema gedrückt. Strom kommt aus der Steckdose (bzw. aus der PV-Anlage) und Wärme ist halt da. Erst als mir nach einem Besuch in Bracht, wo wir der dortigen Bürgerenergie-Genossenschaft für einige Tage beim Bau ihres Speichers geholfen haben, klar wurde, wie viel Materie wir möglicherweise mit dem Bau des geplanten Speicherteichs bewegen werden, habe ich aus dieser Betroffenheit heraus angefangen, mir mehr Gedanken über den Ist-Zustand zu machen. Mit Pellets heizen klingt so sauber ökologisch. Etwa alle zwei Wochen kommt ein großer LKW und befüllt unsere Anlage. Doch nicht weniger groß war meine Betroffenheit, als ich mir Videos von sogenannten „Harvestern“, d.h. brutalen Baum-Erntemaschinen angeschaut habe und was sonst noch so alles mit dem Herstellungsprozess von Pellets verbunden ist. Da wird so eine wunderschöne Fichte innerhalb von Minuten umgelegt, entastet und in Stücke gesägt. Ursprünglich als (ökologisches) Abfallprodukt der Holzbaustoffindustrie beworben, aber zusehends bei stagnierender Wirtschaft durchaus auch direkt aus dem Wald als ganzer Baum in unsere Öfen wandernd. Erst dann hatte ich verstanden, was Energie-Ehrlichkeit bedeutet. Es ist bequemer und v.a. weniger schmerzhaft, die Energiequelle irgendwo weit weg zu haben und nicht direkt vor der Haustür. Und es ist bequemer, mich als Laie nicht zu bemühen, die Komplexität eines Saisonspeichers mit Kollektoren und seine Finanzierbarkeit zu verstehen, oder eben den „Holzweg“ konsequent für die nächsten 30 Jahre weiter zu denken. – Zum Glück habe ich aber in Gemeinschaft die Wahl, mich entweder Einzudenken und Mitzureden oder das Thema lieber unserer gewählten Energiegruppe zu überlassen.“

Und die zweite Stimme:

Mittlerweile wächst jedoch auch in unserem Dorf die Einsicht, dass diese geplante, in unser Leben im Dorf tief eingreifende Energieumstellung auch von uns allen getragen sein muss, mir unserem Verständnis, mit dem Loslassen unserer persönlichen Befindlichkeit, vielleicht auch finanziell und mit der Zusage, dass wir die Konsequenzen aus diesem Projekt – gute und vielleicht auch weniger gute – gemeinsam tragen.“

Ein wahrlich spannender und für alle lehrreicher Prozess, bei dem es uns bisher gelungen ist, trotz aller Differenzen und unterschiedlicher Standpunkte weiter im Gespräch zu bleiben. So dient auch die Energiefrage ganz konkret der Gemeinschaftsbildung.

Noch haben wir uns nicht final entschieden. Wir grenzen gerade ein, wie teuer der solare Weg in die Zukunft wirklich werden könnte und wie wir ihn finanzieren können und wollen.

Trotzdem möchten wir euch an unseren bisherigen Erfahrungen und unserem angesammelten Wissen auf diesem Weg teilhaben lassen, uns mit euch austauschen, vernetzen, voneinander lernen, einander inspirieren, uns gegenseitig ermutigen und gemeinsam Perspektiven für die lokale Wärmewende entwickeln. Sozusagen ein Werkstattgespräch auf einem langen Weg.

Daher laden wir euch zu einem neuen Veranstaltungsformat ein:

1. Energie-Werkstatt am Tempelhof vom 2. bis 4. Juli 2025. Wärmewende gemeinsam gestalten: Wie machen wir unsere Quartiere, Gemeinden und Dörfer zukunftsfähig?

Die Gemeinschaft bringt Erfahrungen aus solidarischer Landwirtschaft, gemeinschaftsgetragenen Wirtschaftsmodellen und demokratischer Entscheidungsfindung in den Prozess ein. Die Energie-Werkstatt öffnet Einblicke in das geplante Energiekonzept (Erdbecken-Saisonspeicher und Solar-Kollektorfeld) sowie in die Arbeitsweise der Zukunftswerkstatt Schloss Tempelhof – geprägt von Konsens, Transparenz und Partizipation.

Fachliche Impulse kommen von renommierten Expert:innen und Pionier:innen der Energiewende, darunter:

  • Jutta Niemann, Sprecherin für Energie- und Klimapolitik, Landtag Baden-Württemberg
  • Dipl.-Ing. Dirk Mangold, Institutsleiter Solites, Forschungsinstitut für solare und thermische Energiesysteme
  • Prof. Dr.-Ing. Martina Hofmann, Geschäftsführerin der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg
  • Armin Komenda, Vorstand Elektrizitätswerke Schönau (EWS)
  • Thomas Labda, Fa. Solmax Geosynthetics
  • Susanne Socher, Vorstand Mehr Demokratie e.V., Bürgerbegehren und partizipative Entscheidungsprozesse, Moderation Bürgerräte
  • Lukas Bühler, Vorstand der Energeno Heibronn
  • Vertreterinnen der GLS Gemeinschaftsbank und weiterer Energiewende-Projekte wie der Solarwärme Bracht eG, u.a.

Hier geht es zur Veranstaltungswebseite.

Wir freuen uns auf inspirierende Tage im Seminar- und Gästehaus von Schloss Tempelhof – inmitten von Gemeinschaft, gelebtem Wandel und der Arbeit an konkreten Utopien.

Von Ben Hadamovsky

Aktuelles

  • Tempelhof News Sommer 2025

    Am Tempelhof bewegt sich vieles: Neue Projekte, frische Impulse und gemeinschaftliches Wirken füllen diesen Sommer mit Leben. Hier gibt’s Einblicke in das, was gerade wächst und entsteht.

  • Schnuppertage Zukunftsjahr 4.-6.7.

    Das Zukunftsjahr startet am 19.09.2025. Es ist ein lebenspraktisches Orientierungsjahr für junge Menschen, die neugierig aufs Leben sind und aktiv an ihren Fragen wachsen möchten. Wir laden Dich herzlich ein, das Zukunftsjahr für junge Menschen kennen zu lernen.

  • Koch/Köchin gesucht

    Unsere Großküche und der Seminarbetrieb am Tempelhof suchen engagierte Menschen, die Lust haben auf sinnstiftendes Wirken mit Herz, Hand und Teamgeist. Ob Kochen, Spülen oder im Service – vielleicht ist dein Platz genau hier!

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